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Es gibt nur ein Programm: Freiheit! Kirchner, Nolde, Heckel, Schmidt-Rottluff, Amiet und Hodler. Zum 100. Todestag von Botho Graef

Gemälde, Zeichnungen und Druckgrafik

©Kunstsammlung Jena

3. September 2017 - 19. November 2017

In seiner Besprechung der Ausstellung „Neue Secession Berlin“ schreibt Botho Graef im Sommer 1911: „Wie wäre es, wenn das freie und stolze Jena sich eine Sammlung für die Entwicklung der Kunst wirklich bezeichnender Werke anlegte. Eine reiche Auswahl wird uns jetzt dauernd geboten: wenn rechtzeitig zugegriffen wird, kann man mit geringen Mitteln eine Sammlung zusammenbringen, auf die spätere Geschlechter mit Hochgefühl blicken werden. Sollten wirklich dafür die Mittel nicht aufgebracht werden können?“ Dieser Einwurf Graefs wird 1913 mit der ersten Erwerbung für eine „Sammlung moderner Kunst“ Wirklichkeit und mündet nur wenige Monate später in der Gründung einer Galerie. Die bedeutendste Schenkung erhält die Sammlung 1918 mit 260 grafischen Arbeiten von Ernst Ludwig Kirchner, die dieser im Gedenken an seinen verstorbenen Freund als Botho-Graef-Stiftung nach Jena schickt, um dessen Wirken dauerhaft und angemessen zu ehren.

Anlässlich des 100. Todestages von Botho Graef ehrt die Kunstsammlung Jena diesen Freund der Künste und Künstler mit einer Ausstellung. Im Zentrum der Schau steht genau jene Kunst, für die er sich in besonderer Weise engagierte, der Expressionismus.
Die Liste der Künstler unserer Ausstellung orientiert sich vor allem an den Rezensionen, die Graef zwischen 1904 und 1917 regelmäßig in der Tagespresse veröffentlicht hat und in denen viele der bedeutendsten Künstler seiner Zeit dargestellt werden. Zum Kreis dieser Künstler gehören Ernst Ludwig Kirchner und Emil Nolde, Erich Heckel, Karl Schmidt-Rottluff, Max Pechstein, Otto Müller, Adolf Erbslöh, Cuno Amiet, Ferdinand Hodler und viele andere. Neben den Besprechungen jener Künstler, deren Bedeutung bereits vor dem Ersten Weltkrieg als gesichert gelten konnte, hat sich Graef immer wieder auch Künstlern gewidmet, die im Regionalen offen für Neues gewesen sind oder auch den Jüngsten, die stilistisch zu den noch Suchenden zählten. Aus diesem Umfeld sind für die Ausstellung beispielhaft Werke von Erich Kuithan, Helene Czapski-Holzman, Frida Mentz-Kessel, Charles Crodel und Christian Natter ausgewählt worden. Neben den bildenden Künstlern war Botho Graef auch der Literatur eng verbunden und mit Stefan George und Richard Dehmel befreundet, während Ernst Hardt, Karl Vollmöller und Hugo Hertwig von ihm unterstützt worden sind.

Eine Darstellung der herausragenden Persönlichkeit Botho Graefs mündet zwangsläufig in einem Panorama jener künstlerischen Kräfte, die sich am Vorabend des Ersten Weltkrieges thematisch und bildnerisch von tradierten Darstellungsformen verabschiedet und zu neuen, eigenen Ausdrucksmöglichkeiten gefunden hatten. Graef wirbt mit einfühlsamen, klug gesetzten Worten für das „Geheimnis echter Kunst, die uns überzeugt, oder wenn man will, uns überwältigt“ und er wird nicht müde in seinem Streben, die Menschen für die Bilder der Expressionisten zu gewinnen. Vieles von dem, was Kirchner, Nolde, Heckel oder Schmidt-Rottluff ausgestellt haben, war für die Betrachter so neu und fremd, dass der Rezensent Botho Graef in der Beschreibung ähnlich kreativ sein musste, wie das die Künstler in ihren Werken waren. Sein Ziel war die Vermittlung, die Anerkenntnis dessen, was er als neu und wegweisend erkannt hatte. Für Graef sind die Expressionisten jene „starken und tapferen Naturen, die das Wagnis lieben“ und die „Augenerlebnisse aus der Wirklichkeit“ – so gegenläufig diese auch sein mögen – in einer neuen, ungeahnten Harmonie vereinen.

Im Mittelpunkt der Ausstellung stehen die Werke jener Künstler, die wir heute als Expressionisten kennen und schätzen. Zugleich soll mit der Fixierung auf Botho Graef nicht nur ein Wortführer und Kämpfer der Avantgarde gewürdigt werden, sondern auch der Mikrokosmos einer aufstrebenden Universitätsstadt dargestellt werden. Der Sammelpunkt dieser Initiativen war der frühere Jenaer Kunstverein, der bis zum Ende der 1920er-Jahre auf Augenhöhe mit vergleichbaren Vereinen und Galerien in weit größeren Städten gearbeitet hat. Der Kunstverein – und auch die „Gesellschaft der Kunstfreunde von Jena und Weimar“ – waren inspirierende Plattformen für Begegnungen, die in die Bürgerschaft hineinreichten und zu jenen Ausstellungen und Erwerbungen geführt haben, mit denen Jena die Geschichte der neueren Kunst mitschreiben konnte.

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